Lehmann, Gustav Ernst Paul Spielzeugfabrikant. *9.6.1856 Berlin, †10.7.1934 Brandenburg Altstädtischer Friedhof. Seine Eltern waren der Schneidermeister Johann Gottlieb Lehmann und Pauline Anne L., geb. Hallberg. L. besuchte das Köllner Gymnasium und das Luisenstädtische Realgymnasium, danach absolvierte er eine Buchhalterlehre bei Hertz & Wegner. Ab 1884 nannte er sich nur Ernst Paul, was mit seiner Entwicklung als Spielzeugfabrikant zusammenhing. Bis heute ist der Name Ernst Paul Lehmann in Brandenburg und in der Spielzeugbranche bekannt, nicht zuletzt durch die Weiterführung des Namens bzw. des Warenzeichens >>Ernst Paul Lehmann Patentwerk<< der Fa. >>Lehmann-Groß-Bahn<< (LGB) in Nürnberg. Mit 25 Jahren stellte L. seine erste Erfindung (in der Industrie einsetzbare Blechbehälter mit Patentverschluss) auf der Frankfurter Messe vor. Der Erlös aus der patentierten Erfindung war das Startkapital für die Gründung einer Spielwarenfabrik am 1. Sept. 1881 in Brandenburg. Sein Kompagnon war Jean Eichner aus Nürnberg. Die Firma nannte sich >>Blechspielwaren-Fabrik von Lehmann & Eichner<<. Als Eichner 1884 starb, wurde Lehmann Alleininhaber der Fa. Vorübergehend stellte die Fabrik nur Blechbehälter für die Industrie her. 1888 wurde die Spielzeugproduktion wieder aufgenommen. Spezialprodukte waren in der Folgezeit originelle mechanische Blechspielwaren (Aktionsfiguren, Autos, Spiele u.ä.) mit Bewegungsmechanismen. L. alte Spielzeugfabrik (erbaut bis 1889) lag in der Altstadt. Sie wurde im März 1895 durch einen Großbrand zerstört. 1895 begann der Neuaufbau einer modernen Fabrik in der Klosterstr. mit arbeitsökonomischen Raumaufteilungen für die Produktion, mit Hofeinfahrten und Rampen.
Im April 1896 wurde der erste Neubau eingeweiht, weitere Bauphasen folgten bis 1903. Der Fabrikkomplex, heute Zeugnis einer typischen Industriearchitektur aus dem Ende des 19. Jh., ist erhalten und beherbergt heute verschiedene Fachbereiche der Stadtverwaltung Brandenburg Zur Gesamtanlage des Patentwerkes Ernst Paul Lehman gehörten auch sein Wohnhaus mit dem >>Contor<<, das Jugendstilhaus in der Plauer Str. 6 (1901/02 erbaut), und das angrenzende Postgebäude. Seit 1907 bezeichnete L. seinen Betrieb in Anzeigen als Patentwerk. Schon frühzeitig ließ er seine Spielzeuge, Gebrauchsmuster, Einzelteile usw. patentrechtlich Schützen. Ab 1887 erschien die Aufschrift >>Made in Germany<< auf den Artikeln. Zur Kennzeichnung der Spielzeugartikel führte L. 1888 das Firmenlogo, nämlich die stilisierte Spindelpresse, ein. 1896 wurde diese Fabrikmarke grafisch verbessert. 1902, 1913 und 1926 kamen verschieden gestaltete Logos der Spindelpresse heraus. Briefbögen, Kataloge und die Fabrikportale wiesen das einprägsame Wiedererkennungslogo auf. Spielzeug der >>Marke Lehmann<< wurde vorrangig exportiert.
Seit 1881 präsentierte L. seine Spielzeugneuheiten auf der Leipziger Messe, wo er meistens auch persönlich anwesend war. Geschäfts- und Privatreisen führten in die USA, nach England und auf die Kanarischen Inseln. Auf Grundlage seiner Gewinne aus der Spielzeugproduktion konnte L. als Sponsor für politische, sportlich, karitative und kirchlich Projekte auftreten. Er war Mitglied der Konservativen bzw. der Deutsch-Nationalen Volkspartei, 1900-27 gehörte er der Stadtverordnetenversammlung Brandenburg an 1904 erhielt er den Titel Kommerzienrat. Im Jahr 1900 begründete L. die Ortsgruppe Brandenburg des Dt. Flottenverein, ab 1929 wurde er Mitglied im Präsidiums des Dt. Flottenvereins. Als Mitinitiator stellte er für den Bau der Bismarckwarte ein Grundstück zur Verfügung, 1915 finanzierte er das Denkmal für Friedrich II. (Entwurf Leo Koch, Plaue). Außerdem kaufte er die Reliefplatte >>Einzug der Hohenzollern<<, die er 1916 am Plauer Torturm anbringen ließ. In Brandenburg erwarb L. zahlreiche Grundstücke. Auf einem, das sich in der Krakauer Vorstadt befand, ließ er dem >>Brandenburger Ruder-Klub e.V.<< 1908/09 ein Bootshaus bauen. 1923 wurde er selbst Mitglied des Vereins. Seit 1912 gehörte er dem Historischen Verein an. 1919 überließ er ihm ein Haus und Grundstück, das Frey-Haus in der Ritterstr., für die Unterbringung seiner Sammlungen. 1923 wurde in dem Gebäude das Heimatmuseum eröffnet. Im selben Jahr wurde L. Ehrenmitglied des Historischen Vereins. Darüber hinaus initiierte und finanzierte er Vorhaben des Gemeindekirchenrates der St. Gotthardtkirche, einem Gremium, in dem er bis zu seinem Tod 1934 tätig war. Zum Andenken an seine 1920 verstorben Ehefrau stiftete L. den vom Vaterländischen Frauenverein geführten Martha-Lehmann-Hort in der Kl. Gartenstr. 44 als Tages-Unterbringung der Kinder von Fabrikarbeiterinnen. Für die Loge der Freimaurer, deren Mitglied er ebenfalls war, erwarb er kurz vor seinem Tod ein Grundstück in der Neustädtischen Heidestraße.
Lit.: J. und M. Cieslik: Ein Jh. Blechspielzeug. Ein Jh. E.P. Lehmann, München 1981; K. Kreschel: Brandenburger Spielwaren-die Firmen und ihre Produkte, in: Heinrich/Heß/Schich/Schlößler 1998, S. 481-509; H. Schwarz, M. Faber: Ernst Paul Lehmann Patentwerk – Gesch. einer Spielwarenfabrik, Nürnberg 2003; H. Köhler, K. Kreschel: Vom Störrischen Esel zum Kletteraffen Tom. Blechspielzeug des Ernst Paul Lehmann Patentwerkes Brandenburg (H.) 1881-1948, Brandenburg a.d.H. 2007 (Brandenburger Museumshefte, 6).